Mit neun Jahren musste Hibah Dawood mit ihrer Familie aus Aleppo in Syrien nach Deutschland flüchten. Angesichts des Beginns des Syrienkriegs, der sich am 15.3.2023 zum 12. Mal jährt, referierte die siebzehnjährige Hibah von ihren Erfahrungen und Erlebnissen vor und während des Kriegs sowie ihren Fluchterfahrungen. Bald - wenn sie 18 Jahre alt wird - kann sie auf eine Lebenshälfte in Syrien und die andere in Deutschland zurückblicken - Zeit, eine Bilanz zu ziehen.
Zuerst gab Hibah den Schülerinnen und Schülern in der vollbesetzten Mensa einen kurzen Überblick über die politischen Umstände in Syrien und was dazu geführt hat, dass unter zunehmendem Druck ab 2011 zuerst Männer und dann kurz darauf viele Familien fluchtartig ihre Heimat Syrien verlassen mussten.Viele Menschen engagierten sich trotz der blutigen Niederschlagung der zunehmenden Proteste gegen das Regime Al Assads und gingen jeden Freitag auf die Straße. Doch irgendwann nahm der Druck überhand, Bomben schlugen in Aleppo ein und Hibahs Familie war wie viele andere gezwungen, zu handeln.
Im Interview mit ihrer Mitschülerin Yomna Baffoun erzählte Hibah zunächst den anderen Jugendlichen von ihrer Zeit im Kindergarten und der Grundschule. Angefangen von der Schuluniform über andere Sitzordnungen betonte sie die Unterschiede zum deutschen Schulsystem. Die frühkindliche Idylle wurde schnell getrübt von Bombeneinschlägen, die die Schülerin selbst vom Balkon ihrer Wohnung in Aleppo miterleben musste.
"Im Vergleich zu anderen ging es uns gut und auch die Reise nach Deutschland war verhältnismäßig einfach" erzählt die Schülerin. Die Firma ihres Vaters organisierte die Route über einen dreimonatigen Stopp in der Türkei bis nach Deutschland. Doch allein die Kontrolle durch bewaffnete Grenzkontrollen ist etwas, was Hibah für den Rest ihres Lebens nicht vergessen wird. Die Vorstellung von einem grünen Land, in dem alles perfekt sei, hat sich zumindest teilweise bestätigt. Hibah war glücklich, in einem tatsächlich sehr grünen Land angekommen zu sein, doch die fehlenden Sprachkenntnisse brachten erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Durch den Kontakt mit Mitschülerinnen wurden zwar schnell die sprachlichen Schwierigkeiten überwunden, aber die fehlenden Pässe banden die Familie an die Arbeit des Vaters, die Bedingung waren für den Aufenthalt in Deutschland. Nach sechs Jahren bekam die Familie deutsche Pässe und konnte somit ihre Bleibeperspektive sichern - trotzdem ist die Integration nicht vollständig abgeschlossen: Das Kopftuch bietet immer wieder Anlass zu rassistischen Äußerungen. Verwandte von Hibah, die immer noch in Aleppo leben, haben nicht nur 12 Jahre Krieg hinter sich, sondern müssen sich seit Kurzem auch mit den Folgen des verheerenden Erdbebens zu kämpfen. Reisen nach Syrien sind derzeit nicht möglich - die einzige Möglichkeit, die Familie in Syrien zu unterstützen ist es, Spenden zu sammeln.
Zahlreiche Nachfragen der Schülerinnen und Schüler sowie die Stille während des Vortrags zeigen, wie ergriffen die Schulgemeinschaft davon war, zu erfahren, welche Lebensgeschichte hinter einzelnen Schülerinnen und Schülern stecken können. Der Kuchenverkauf, dessen Erlöse den Erdbebenopfern in Syrien zugute kommen, war ein voller Erfolg, was zeigt, dass viele Jugendliche einen Beitrag dazu leisten wollten, dass es Menschen wie den Verwandten von Hibah in diesen Zeiten etwas besser geht.
Johannes-Kepler-Gymnasium
Reutlingen